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6.7 Gesetzgebungsverfahren von Statistikrechtsakten (1/3)
Inhalt
Statistikverordnungen werden im sogenannten Ordentlichen Gesetzgebungsverfahren gemäß Art. 294 AEUV verabschiedet. Dieses Verfahren ist das Regelverfahren für alle EU-Rechtsakte. Es besteht in der gemeinsamen Annahme eines Rechtsaktes – typischerweise einer Verordnung – durch das Europäische Parlament und den Rat der EU auf Vorschlag der Kommission. Parlament und Rat sind dabei Co-Gesetzgeber.

Das Gesetzgebungsverfahren und seine Vorbereitung laufen in verschiedenen Phasen:

Phase 1: Beratungen im ESS ... mehr
Phase 2: Vorschlag der Kommission ... mehr
Phase 3: Verhandlungen im Rat und EP ... mehr
Ratsarbeitsgruppe Statistik
Für die Statistiker spielt die RAG als Vorbereitungsgremium für den Rat eine wichtige Rolle. Das Statistische Bundesamt und ein ständiger Vertreter der Statistischen Landesämter (durch Beschluss des Bundesrates ist dies das Statistische Landesamt Baden-Württemberg, für die Agrarstatistik ist es Statistik Nord) sind in die Verhandlungen auf Ratsebene durch die Sitzungen der Ratsarbeitsgruppe Statistik in Brüssel eingebunden. Die deutsche Delegation wird in der Regel geleitet von einem weisungsbefugten Vertreter des fachlich zuständigen Bundesressorts.

Ratsarbeitsgruppe Statistik
Die 2003 eingesetzte Ratsarbeitsgruppe „Statistik“ arbeitet als Vorbereitungsgremium des Rates der EU. Dies ist im Bereich Statistik in der Regel der ECOFIN-Rat. Hauptaufgabe der Ratsarbeitsgruppe, in der alle EU-Mitgliedstaaten vertreten sind, ist die Diskussion von Statistikrechtsakten bis zur Verabschiedungsreife im Rat. Die Ratsarbeitsgruppe tagt mehrmals jährlich in Brüssel.
Teilnehmer von deutscher Seite in der Ratsarbeitsgruppe „Statistik“ sind das jeweils fachlich betroffene Ressort (federführend), eine Vertreterin oder ein Vertreter des Statistischen Bundesamtes sowie ein ständiger Vertreter der Statistischen Landesämter (durch Beschluss des Bundesrates ist dies das Statistische Landesamt Baden-Württemberg, für die Agrarstatistik ist es Statistik Nord).
Vorsitz
Den Vorsitz hat jeweils das Statistikamt des Mitgliedstaates, der in dem jeweiligen Halbjahr den EU-Ratsvorsitz hat. Der Präsident des Statistischen Bundesamtes hatte 2007 den Vorsitz in der Ratsarbeitsgruppe. Das Präsidentschaftsteam hatte damals die Aufgabe, 27 in Beratung befindliche Statistikrechtsakte auf europäischer Ebene voranzutreiben. Der Vorsitz in einer Ratsarbeitsgruppe ist insgesamt eine sehr spannende und anspruchsvolle Aufgabe, da Verhandlungen mit allen Mitgliedstaaten, der Kommission und dem Europäischen Parlament zu führen sind, um tragfähige Kompromisstexte zu erarbeiten.
Rechtssetzung durch die Kommission (Komitologie und Delegierte Rechtsakte)
Delegierte Rechtsakte
Grundsätzlich sind die Gesetzgeber auf europäischer Ebene das Europäische Parlament und der Rat. Mit dem Vertrag von Lissabon wurde der Kommission aber ausnahmsweise auch eine Funktion als Gesetzgeber übertragen, und zwar im Rahmen sogenannter Delegierter Rechtsakte.
Die Kommission darf dabei die Arbeit des Gesetzgebers (also die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates) nur ergänzen oder nur in Teilen ändern. Diese Ermächtigung gilt zudem ausschließlich im Rahmen der vom Gesetzgeber gesetzten Schranken. Dieser ist verpflichtet, Ziel, Inhalt, Geltungsbereich und Dauer der Befugnisübertragung auf die Kommission in der jeweiligen Rahmenverordnung ausdrücklich festzulegen. Die wesentlichen Aspekte eines Rechtsaktes sind dem Gesetzgebungsakt vorbehalten, hier ist eine Übertragung der Befugnis deshalb ausgeschlossen.
Durchführungsbestimmungen
Häufig geben Statistikverordnungen des Rates und des Parlaments nur den groben Rahmen zur Durchführung einer Statistik vor (Basisrechtsakt). Details können von der Kommission in Durchführungsbestimmungen festgelegt werden, wenn der Rat der Kommission diese Kompetenz in einem Basisrechtsakt zuweist.
Für das Zustandekommen dieser Durchführungsbestimmungen gelten bestimmte Regeln, die in einer speziellen Verordnung‚ zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren, enthalten sind.
Über die entsprechenden Entwürfe stimmen die Amtsleitungen der Statistikämter im AESS, wie bei Basisrechtsakten, mit qualifizierter Mehrheit ab. Der AESS ist hier unmittelbar in den Gesetzgebungsprozess eingebunden und letzte Instanz. Achtung: Zur Ablehnung einer Durchführungsverordnung ist im AESS eine qualifizierte Mehrheit erforderlich (nicht für die Zustimmung).
Die folgende Grafik fasst die wesentlichen Merkmale von Delegierten Rechtsakten und Durchführungsverordnungen zusammen.

Merke:
Die Entscheidung, ob ein Sachverhalt im Basisrechtsakt, in einem Delegierten Rechtsakt oder einem Durchführungsrechtsakt getroffen werden soll, obliegt dem Gesetzgeber und ist stets im Einzelfall (case by case) und unter Berücksichtigung der Einschätzung der Experten zu treffen.
Materialien zum Download und Weblinks